Russlands Krieg in der Ukraine.

 

Heute vor einem Jahr überfiel Russland die Ukraine und begann einen brutalen Eroberungs- und Vernichtungskrieg.

 

Bereits auf den Tag genau 28 Jahre vor dem Tag der Invasion, am 24. Februar. 1994, am Tag des Heiligen Matthias, hat der damalige Präsident von Estland beim traditionellen Matthäi-Mahl im Festsaal des Hamburger Rathauses, bei seiner Tischrede, vor den imperialen Gelüsten Russlands gewarnt. Anwesend war auch ein damals noch relativ unbekannter russischer Diplomat, der bei der Rede aufstand, wutschnaubend durch die Reihen der festlich gedeckten Tische in Richtung Tür ging, und den Festsaal, die Tür laut hinter sich zuschlagend, verließ (ein einmaliges Ereignis in der über 650-jährigen Tradition des Matthäi-Mahls).

 

Der Name dieses russischen Diplomaten: Wladimir Putin.

 

Putin kannte also die Ängste und Sorgen der Balten, die auch dadurch hervorgerufen wurden, wie Russland versucht hatte, die Unabhängigkeitsbestrebungen der baltischen Staaten zu verhindern. Es ist damals Blut geflossen.

 

Er wusste es also, war aber nicht in der Lage, genauso wie vorher Jelzin nicht, die Ängste und Sorgen der Balten (und anderer Staaten) ernst zu nehmen, bzw. diese nur insoweit ernst zu nehmen, dass er ihnen ständig drohte, wenn sie nicht so agierten, wie Russland es wollte.

 

Aber für Putin war der Zusammenbruch der UdSSR schon immer die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts gewesen. Er war immer der Ansicht, dass Russland einen Anspruch darauf hat, die alte Größe der UdSSR zu haben - und die Einfluss-habende Macht für alle Staaten, die bis 1989 zur Einflusszone der UdSSR gehörten, zu sein.

 

 

Und dann wunderten die russischen Präsidenten sich, wenn die Länder Schutz bei der NATO suchten.

 

Oft wird von Russland-Fans das Argument gebracht, der Westen hätte bei den 2 + 4 Gesprächen versprochen, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Aber auch wenn man auf die Antworten von Genscher und Baker hinweist, die diese bei Fragen von Journalisten antwortete, stimmt diese Aussage nicht.

 

Im Sommer bestanden die UdSSR und der Warschauer Pakt noch, und niemand hatte die Annahme, dass das sich ändern würde.

 

Die Journalisten fragten nach einer Absicht, die NATO nach Osten auszuweiten, was damals bedeutet hätte, in den Bereich des Warschauer Paktes und der UdSSR einzugreifen.

 

Selbstverständlich war das weder die Absicht von Deutschland, noch den USA.

 

Es war eine Aussage gegenüber Journalisten. Jede andere Aussage hätte bedeutet, dem Warschauer Pakt, oder gar der UdSSR, etwas zu entreißen. Selbstverständlich hatte niemand diese Absicht.

 

Und es war eine Antwort gegenüber der entsprechenden Fragen von Journalisten, kein Verhandlungsthema der Delegierten.

 

Stattdessen gibt es die NATO-Russland-Grundlagenakte, ein Vertrag, der in schriftlicher Form, mit Unterschriften der Verhandlungspartner, beschlossen wurde. In diesem Vertrag steht, dass jeder Staat sich seine Bündnispartner selbst aussuchen darf.

 

Dass dieser Vertrag immer wieder von einigen Leuten ignoriert wird, man sich aber auf eine Antwort gegenüber von Journalisten beruft, ist, als angebliche Beweisführung, geradezu lächerlich.

 

1994 gab es dann das Budapester-Memorandum, in dem festgelegt wurde, dass die Ukraine seine Atomwaffen an Russland abgibt, und Russland im Gegenzug die Grenzen und die Souveränität der Ukraine garantiert. Auch dieses Memorandum wurde in schriftlicher Form, mit entsprechenden Unterschriften, erstellt.

 

Oft wird heutzutage behauptet, die USA hätten 20 Jahre später, im Jahre 2014, den Maidan-Aufstand inszeniert und auch bezahlt. Man weist in dem Zusammenhang gerne auf die 5 Milliarden US-Dollar Hilfe für die Ukraine, die die US-Diplomatin Nuland erwähnt, hin.

 

Diese 5 Milliarden US-Dollar waren aber die Gesamtsumme, die die USA der Ukraine gesamt, seit der Unabhängigkeit von 1991, zur Verfügung stellten. Ein nicht kleiner Teil davon bekam die Ukraine sogar mit Absprache von Russland. Denn Russland sollte der Ukraine, für die Abgabe der Atomwaffen (1994) eine Entschädigung zahlen, damit die Ukraine ihre konventionelle Armee modernisieren konnte. Da Russland nicht zahlen konnte, übernahmen die USA das.

 

Ein weiterer Teil der 5 Milliarden US-Dollar gab die USA als Wirtschaftshilfe, als der Ukrainer Wiktor Juschtschenko im Januar 2005 Präsident wurde.

 

Die ganze damalige Präsidentenwahl, inklusive des Wahlkampfes, lief im Jahr 2004 chaotisch ab. Ein Höhepunkt war dabei sicher eine Dioxinvergiftung, die der nach Westen orientierte Kandidat Wiktor Juschtschenko erlitt. Er entkam nur knapp dem Tod.

 

Selbstverständlich gibt es keine Beweise, die aufzeigen, wer die Tat begangen oder befohlen hat. Aber Wiktor Juschtschenko war ein Gegner Putins. Putin wolle ihn auf keinen Fall in der Ukraine an der Macht sehen, und es ist zumindest ein Muster, wenn man so bedenkt, wie oft Gegner von Putin in verschiedenster Art vergiftet oder sonst wie ermordet wurden und werden.

 

Somit kann man davon ausgehen, dass schon damals Putin in, nennen wir es mal höflich, nicht-demokratischer Weise, sich in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einmischte.

 

Anfang 2010 setzte sich dann bei einer Stichwahl der Kandidat Wiktor Janukowytsch knapp gegen Julija Tymoschenko durch (Wiktor Juschtschenko war schon im ersten Wahlgang ausgeschieden). Man vermutete Wahlmanipulation, aber Tymoschenko verzichtete auf eine gerichtliche Untersuchung, da sie keine Chance sah, dass diese aufgeklärt werden würde.

 

Janukowytschs Ansichten waren im Grunde immer schwer zu durchschauen. Im Moskau unterstützte er eine wirtschaftliche Anbindung an Russland (und Belarus und Kasachstan) allerdings nur unter der Bedingung, dass alle Mitglieder Mitglied der WTO sein würden.

 

In der Ukraine selbst versprach er eine Annäherung an die EU.

 

Fakt ist, und da war Janukowytsch eindeutig, entfesselte er im eigenen Land eine riesige Korruptionswelle. Die Ukraine, wie alle postsowjetische Staaten, von Korruption tief durchdrungen, erreichte aber nun, schon kurz nach dem Amtsantritt von Janukowytsch, ungeahnte Höhen. Es hieß damals, Janukowytsch wollte der reichste Ukrainer werden.

 

Bei allem Lavieren zwischen Russland und der EU näherte sich im Jahr 2013 doch der Abschluss eines Assoziationsabkommen mit der EU. Zwischendurch hatte die EU gebremst, dann mal wieder Janukowytsch, aber als das Jahr 2013 sich langsam dem Ende näherte, wurde die Sache langsam unterschriftsreif.

 

Janukowytsch musste auch langsam etwas Entsprechendes liefern, denn die große Mehrheit der Ukrainer wollten nicht durch einen eurasischen Wirtschaftsbund an Russland (in ihren Augen) gefesselt werden, sondern wollten näher an die EU, und im Frühling/Sommer 2014 würde der nächste Präsidentenwahlkampf losgehen, und es drohte Janukowytsch eine krachende Niederlage, wenn er die Annäherung an die EU nicht liefern würde. Ende November bekräftigte Janukowytsch bei einem Treffen in Wien noch einmal, an Europa „andocken“ zu wollen.

 

Kurz danach, Anfang Dezember, reiste Janukowytsch nach Moskau, wo er von Putin wohl eine klare Ansage bekam, nicht an die EU anzudocken.

 

Janukowytsch reiste nach Kiew zurück und nahm all seine Zusagen zurück und erklärte der ukrainischen Bevölkerung, an Russland (und Belarus und Kasachstan) andocken zu wollen. Wobei der Herr der Ringe eindeutig dabei Russland sein würde.

 

Sofort nach dieser Bekanntgabe gingen die Menschen in der Ukraine auf die Straßen. Allein in Kiew waren es über Hunderttausend, die im Dezember 2013 regelmäßig gegen die Anbindung an Russland protestierten.

 

Putin, Janukowytsch und der ukrainische Ministerpräsident Asarow waren sich voll darüber im Klaren, dass der Vertrag mit Russland vor der nächsten Präsidentschaftswahl in der Ukraine unterschrieben und rechtskräftig geworden sein musste. Und der Bevölkerung der Ukraine war nur zu deutlich bewusst, dass, sollten sie bis zur nächsten Präsidentenwahl warten, es für sie zu spät sein würde, zu reagieren.

 

Ein neuer Präsident hätte den Vertrag nicht rückgängig machen können, unterschrieben ist unterschrieben. Und wenn ein neuer Präsident vertragsbrüchig werden würde, würde Putin entsprechend reagieren. Man kannte Putins Art und Weise, mit solchen Situationen umzugehen, aus dem Konflikt in Georgien.

 

Es waren nicht die USA oder andere westliche Länder, die den Maidan ins Leben riefen, finanzierten oder überhaupt inszenierten. Es war die ukrainische Bevölkerung, die zu der Erkenntnis kam, entweder jetzt, oder nie. Denn wenn der Vertrag erst einmal unterschrieben war, würde Russland verhindern, dass man ihn wieder zurücknimmt. Auch ein verfassungsmäßiges Amtsenthebungsverfahren würde zu lange dauern. Weder Putin noch Janukowytsch würden ein Ende so eines Verfahrens abwarten, wobei die Durchsetzung eines Amtsenthebungsverfahrens sowieso schwer werden würde. Bereits für den Beginn eines solchen Verfahrens waren mehrere Entscheidungen und eine 2/3 Mehrheit im Parlament notwendig. Und eine Amtsenthebung hätte, nachdem das Verfassungsgericht alles geprüft und für berechtigt anerkannt hätte, das Parlament mit ¾ der Stimmen zustimmen müssen, damit es rechtskräftig ist. Das war utopisch.

 

Aber bis es so weit gekommen wäre, wäre der Vertrag mit Russland schon längst unterschrieben, und russische Panzer würden durch die Straßen von Kiew fahren. Wie geschrieben, man wusste aus Georgien, dass Russland sich nicht scheute, auch in souveräne Staaten einzumarschieren.

 

Ob letztendlich der Protest auf dem Maidan mit der Flucht von Janukowytsch verfassungsmäßig war – oder nicht, darüber kann man sich streiten, aber genauso kann man sich darüber streiten, ob es verfassungsmäßig war, dass Janukowytsch sich dem Diktat von Putin, denn so etwas dürfte es gewesen sein, beugte.

 

Denn letztendlich wollten Janukowytsch und Putin die Trägheit der verfassungsmäßigen Regeln ausnutzen, um die Ukraine um ihre Selbstständigkeit, und damit um die Verfassung, zu bringen.

 

Streiten kann man sich aber nicht darüber, ob es letztendlich eine interne Angelegenheit der Ukraine gewesen war, oder nicht. Auch Russland würde so etwas, wenn es in seinem eigenen Land passieren würde, als interne Angelegenheit ansehen und sich jede äußere Einmischung verbitten.

 

Und trotzdem hat, nach eigenen Aussagen, der FSB-Mann Girkin, mit Geldern eines russischen Oligarchen und mit Zustimmung von Putin (ohne Zustimmung von Putin läuft so etwas nicht, und ohne Zustimmung von Putin hätte dieser nicht so schnell russische Truppen geschickt, als alles nicht so vonstattenging, wie gewünscht), und mit einigen unzufriedenen Ukrainern im Donbas, die sich eher zu Russland hingezogen fühlten, sowie mit weiteren Patrioten aus Russland, die die Ukraine gerne wieder zu Russland gehörend sehen wollten, einen Aufstand vom Zaun gebrochen.

 

In einem Video, das Girkin damals nur wenige Tage bei YouTube laufen ließ (danach löschte er es, weil es wohl doch zu peinlich war), beschwerte er sich, dass, als er mit seiner Truppe eine Ortschaft befreit und im örtlichen Gemeindesaal eine flammende Rede gehalten hatte, nach der Rede in die Kamera schauend, die Begeisterung der Bevölkerung weit unter dem lag, was er erwartet hatte. Die Befreier waren von der Bevölkerung nicht freundlich oder gar mit Hurra-Rufen aufgenommen worden.

 

Später, in einem Interview im November 2014, gab Girkin zu (und prahlte damit), dass er im Donbas die Lunte gelegt und entzündet hat, und er gab in diesem Interview auch zu, dass, hätte Putin keine regulären russischen Truppen geschickt, die ganze Sache, mit wenigen Toten, schnell zusammengebrochen und vorbei gewesen wäre.

 

Russland hatte sich also nicht nur Ende 2013 in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt, sondern auch im Jahr 2014. Durch die Girkin-Aktion im Donbas und durch die Aktion auf der Krim, bei der angeblich Einheimische in russischen Uniformen, ohne Hoheitsabzeichen, die Kontrolle über die Krim einnahmen. Später gab Putin sogar selbst zu, dass es reguläre russische Truppen gewesen waren.

 

Und was wir nun seit einem Jahr erleben, ist nur die Fortsetzung von all dem. Und auch wenn Putin alle Schuld dafür von sich weist, gibt er es doch, zumindest durch seine Äußerung, indirekt zu.

 

Die Ukraine hat es (angeblich) nie als souveränen Staat gegeben, sondern hat erst durch Russland (UdSSR) eine Struktur erhalten.

 

Die ukrainische Identität gibt es im Grunde nicht, sondern es ist eine Abhandlung der russischen.

 

Das Gebiet der Ukraine gehört historisch zu Russland (in seiner Rede vom 21.02.2023).

 

Man müsse die Ukrainer befreien, sie sind eine Geisel des Kiewer Regimes (in seiner Rede vom 21.02.2023). Eines Regime, dass allerdings in einer freien Wahl gewählt wurde, und hinter dem die große Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung steht, die wollen, dass die Russen aus ihrem Land geworfen werden.

 

Und auch aus Moskau kommt immer wieder der (angebliche) Wunsch nach Friedensverhandlungen. Aber immer wieder eben mit der Forderung, dass der direkte Einbehalt der annektierten Gebiete dabei herauskommen muss, und eine russlandfreundliche Marionettenregierung in Kiew installiert werden muss (das russische Narrativ dafür ist Entnazifizierung, denn alle Länder, die gegen Russland sind, sind für Russland Nazis)

 

Es muss Frieden geben, aber darüber kann erst verhandelt werden, wenn Russland sich aus der Ukraine zurückgezogen hat. Denn für Russland geht es nur um den Wiederaufbau eines russischen Imperiums. Lässt man Russland dabei gewähren, sind bald auch Moldawien und Georgien dran.

 

Und sollte Russland eine Chance sehen, irgendwann, wenn die NATO vielleicht wieder hirntot sein sollte, mindestens auch die baltischen Staaten.

 

 

Denn das ist Putins (und nicht nur sein) russischer Traum.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0