Die Menschheit ist im Arsch

 

In den letzten Monaten kristallisierte sich immer mehr heraus, dass es vielen der sogenannten Querdenker gar nicht um Corona geht, sondern um viel mehr – oder sollte man sagen, um viel weniger?

 

Einige brüllen nach Freiheit, die man ihnen angeblich weggenommen hat und verlangen direkt einen Umsturz der Regierung, um die zu internieren, die ihnen die Freiheit (angeblich) genommen haben.

 

Das klingt nicht gerade nach einem liberalen Freiheitsgedanken.

 

Frau Merkel wird öffentlich auf einer Kundgebung von dem dortigen Sprecher (Anführer) als Schlampe bezeichnet. Das passierte gerade vor ein paar Tagen.

 

Attila Hildmann bringt inzwischen im Netz Beiträge, in denen er die große deutsche Zeit rühmt, in der Deutsche (angeblich) für ihre Freiheit gekämpft haben. Die Fotos, die er dazu hineinstellt, zeigen, welche heroische Zeit er meint – den 2. Weltkrieg.

 

Es werden Autokorsos gestartet, bei denen, laut durchs Mikrofon, regelrecht zum Aufstand und Umsturz aufgerufen wird. Man will die (angebliche) Diktatur stürzen.

 

Davon abgesehen, dass, sollte das hier wirklich eine Diktatur sein, diese Leute schon längst in irgendwelchen dunklen Verliesen verschwunden wären, was wollen sie damit erreichen, was soll nach dem Umsturz kommen?

 

So wie die sich äußern, es fallen Worte wie „Internierung“ und noch schlimmeres, scheint es eher eine Diktatur von Möchtegern-Tyrannen dann zu werden, die ihre Freiheitsfantasie auf Kosten der Masse austoben will. Und wehe denen, die sich dem entgegenstellen würden. Die würden dann sicher eine Diktatur erleben.

 

Ich selbst bekomme den Eindruck, die haben schon lange auf etwas gewartet, das ihnen, wie Corona, eine Plattform geben kann, und das Problem ist eigentlich, wie von mir hier schon mal am 20. November 2020 skizziert, ein ganz anderes.

 

Die ersten Urmenschen gibt es seit grob gesehen 2,5 Millionen Jahren; den Homo sapiens seit rund 300.000 Jahren.

 

Noch vor einhundert Jahren war das Leben eher rau. Die Arbeit war schwer, egal ob in Fabriken oder auf dem Lande. Kam man nach der Arbeit nach Hause, war man in einer Art ausgepowert, die man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen kann. Hatte man trotzdem noch Kraft, war auch das Privatleben rauer als heutzutage in den Arbeiterkneipen oder in den Dorfkrügen. Man konnte seine Aggression, wenn man noch welche nach dem harten Arbeitstag hatte, abbauen.

 

Und wenn das immer noch nicht reichte, konnte man zu Hause Frau und Kinder verprügeln. Auch das half, sich abzureagieren.

 

Und heutzutage?

 

Auf dem Lande fährt man mit einem riesigen Unimog oder Mähdrescher über die Felder. Man sitzt, hält die Spur (wenn das noch kein Navi macht). Vieles ist automatisiert. Man bekommt vielleicht Frust, da die Verkaufspreise niedrig sind, aber austoben, Aggression abbauen, kann man bei der Arbeit nicht.

 

In den Fabriken sieht es ähnlich aus. Wirklich schwere Arbeit wurde in vielen Bereichen automatisiert. Man drückt auf den Knopf, und der Kran hebt die schweren Teile an. Man führt nur noch die vollautomatische Fräse oder den vollautomatischen Bohrer, selbst setzt man keine Kraft mehr ein. Und wenn man frustriert ist, kann man sich nicht einmal während der Arbeit austoben, Kraft verbrauchen.

 

Und dann darf man heutzutage nicht einmal mehr seine Frau und die Kinder prügeln. Und man muss nett zu dem Nachbarn sein, anstatt ihm, nur weil er seine Hecke nicht richtig geschnitten hat, eins aufs Maul geben zu können – oder zumindest ordentlich anbrüllen, was ja auch hilft.

 

Einige scheinen das nicht mehr auszuhalten und wünschen sich die Zeit zurück, in der man grunzend, Keule schwingend, aus seiner Höhle (selbstverständlich mit Zentralheizung versehen) stapfen konnte, um dem, dessen Nase einem nicht passte, eins auf diese zu geben.

 

So pervers es klingt, aber die Leute wollen einen Krieg. Und zwar einen Krieg, in dem sie nur austeilen, aber nicht einstecken müssen. Sie wollen ihn, sie halten das friedliche, zivilisierte Leben, das auf Konsens aufbaut, schlichtweg nicht mehr aus.

 

Man merkt das auch direkt in den sozialen Netzwerken. Viele scheinen wirklich nur dort zu schreiben, um gegen das, was andere geschrieben haben, anzumotzen. Und reagiert jemand, fallen sie regelrecht über einen her, um einfach nur weiter dummes Zeug und Beleidigungen absondern zu können, eigentlich nur in dem Grund, um sich an den anderen abzureagieren. Da geht es nicht um sachliche Antworten, sondern nur ums Provozieren, in der Hoffnung, der andere antwortet darauf, damit man weiter provozieren kann. Das ist reine Aggressionsbewältigung, auf Kosten anderer, die man im realen Leben einfach nicht mehr darf.

 

Und ist die Coronakrise vorbei, wartet die nächste Krise, die man als Plattform nehmen kann; und die eignet sich noch viel besser dazu, da die Einschnitte, die wir in unserem Leben machen müssen, gravierender sein werden. Die Klimaerwärmung. Da kann man dann so richtig dagegen angehen, gegen diese Diktatoren, die einem die Freiheit nehmen wollen, das zu tun, wozu man Bock hat.

 

Wir sind wirklich im Arsch, denn unser Gehirn hat sich in den letzten 250.000 Jahren kaum weiter entwickelt. Wir ticken oft immer noch so, wie damals, als wir mit dem Speer durch die Steppe liefen und uns nur interessierte, waren die beiden Spitzen, die über den Spitzen des Steppengrases herausragten, die Hörner einer Antilope, auf die wir uns stürzen konnten, oder waren es die Ohren eines Säbelzahntigers, und mussten wir ganz schnell wegrennen, in der Hoffnung, schnell genug auf den nächsten Baum zu kommen.

 

So wie wir ticken, werden wir bei den Herausforderungen, die bereits auf uns warten, scheitern. Und bereits die, die heutzutage noch zur Schule gehen, werden es ausbaden müssen.

 

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