EU-Gipfel in Brüssel vom 17. bis 21. Juli 2020

 

Vom 17. bis zum 21. Juli trafen sich die Regierungschefs der EU-Staaten in Brüssel zu einem Sondergipfel, um die Folgen von Corona zu bewältigen und auch um den Rahmen für den EU-Haushalt der nächsten Jahre festzulegen

 

Im Grunde ist das Ergebnis von der Konferenz der Regierungschef der EU-Staaten, zur Bewältigung der Folgen der Coronakrise und des zukünftigen EU-Haushaltes, mehr aus nur deprimierend.

 

Die EU verkommt immer mehr nur zu einer Gemeinschaft, in der jeder um seine nationalen Interessen kämpft. Das ähnelt der Hanse im 17. Jahrhundert. Die Hanse wurde nie offiziell aufgelöst, aber nach dem letzten Hansetag, im Jahre 1669, war sie trotzdem Geschichte, weil es keine Bereitschaft mehr gab, die Interessen gemeinsam anzugehen. Jeder, der noch kämpfen konnte, kämpfte für seine eigenen Interessen, gegen Territorialfürsten, die immer stärker wurden, oder/und gegen ehemalige Hansemitglieder.

 

Italien, Spanien und Griechenland mögen ja ein Recht darauf haben, von den anderen Ländern Solidarität zu verlangen, aber genauso haben die, die das Geld geben, das Recht, die Hand darauf zu haben, damit das Geld auch entsprechend verwendet wird. Einfach zu verlangen, gebt uns gefälligst Geld (denn die Tonlage entspricht so einer direkten Forderung), und wir machen damit dann das, was wir für am Besten halten, ist nicht akzeptabel. Italien ist durchaus dafür bekannt, dass öffentliche Gelder, ganz allgemein gesprochen, teilweise in dunkle Kanäle versickern. Wo ist die verbindliche Zusage für entsprechende Reformen? Bei Ungarn hängt schon seit längerer Zeit der berechtigte Verdacht, dass Orbán EU-Gelder für seine Eigeninteressen, sei es um Propaganda gegen die EU zu machen, oder um Freunde zu belohnen, verwendet.

 

Solidarität zu fordern und nach Geld zu schreien, aber ansonsten hat die EU sich aus den angeblich „inneren Angelegenheiten“ herauszuhalten, ist zu wenig ein EU-wir-gefühl, damit die Gemeinschaft überlebt.

 

Gerade Italien will Solidarität. Aber auch nur, weil sie eines der Geld-Nehmerländer ist. Conti würde ja vielleicht sogar ganz allgemein für mehr EU sein, aber er spürt Salvini in seinem Nacken, der nur auf die nächste Wahl hofft, um, sollte Italien unter Conti, außer Geld zu nehmen, sich der EU annähern, die nationale Karte ausspielen wird, und damit große Chancen hätte, zu gewinnen.

 

Macron hat Frankreich eher gespalten als es geeint. Er hofft, von der EU, Hilfe für sein Land, um wenigstens damit in Frankreich zu punkten, damit Le Pen nicht die nächste französische Präsidentin wird. Und egal, wie viel Kreide Le Pen in letzter Zeit gefressen hat, sie will aus der EU raus, oder zumindest wie Orbán, nur eine EU, die man melken kann, ansonsten aber will auch sie nur ein „Make France great again“.

 

Europa wird aber nicht größer. Will ein Land größer als die anderen werden (und wenn auch nur wirtschaftlich ist) geht das nur auf Kosten anderer europäischer Länder.

 

Dass letztendlich die Niederländer und andere Sparsame mit einem Rabatt ihrer Beiträge zufrieden gestellt werden konnten, um als Gegenleistung dann die anderen Kröten zu schlucken, zeigt auch, dass es sich bei ihnen nur um das eigene Hemd dreht, nicht, was das alles für die EU bedeutet.

 

Und die Visegrád-Gruppe, allen voran die Länder Polen und Ungarn, kann weiter sich politisch und rechtsstaatlich von der EU entfernen, ohne groß Angst zu haben, dafür bestraft zu werden.

 

Die Drohung von Orbán, von Polen unterstützt, ein Veto einzulegen, wenn die Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips eine Rolle bei der Verteilung der Gelder spielen soll, wird auf lange Sicht die EU sprengen. Der Kompromiss, den man dabei gefunden hat, ist so faul, dass Orbán (und auch die Regierung in Polen), weiter die liberale Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in ihrem Lande untergraben und sogar aushebeln kann.

 

Und Deutschland und Frankreich? Auch sie haben NUR aus nationalem Interesse gehandelt. Sie gehören zu den wenigen Ländern, die wirklich (und das berechtigt) Angst davor haben, dass die EU auseinanderfällt. Also versuchen sie, zu kitten was das Zeug hält, übersehen aber, dass dadurch die Gräben nur tiefer werden, auch wenn man diese scheinbar übertüncht.

 

Das Problem der EU ist, wie beim Brexit, dass die, die keine Angst davor haben, dass die EU auseinanderfällt, auch wenn sie dabei, wie alle, nur verlieren würden, sich einfach stur stellen, und die, die Angst davor haben, dass die EU auseinanderfällt, lieber klein beigeben.

 

Dabei verlieren sie alle aus den Augen, dass, wenn die EU auseinanderfällt, und nur noch 27 (28) kleine Nationalstaaten vorhanden sind, die großen dieser Welt diese kleinen Staaten wunderbar auseinanderdividieren können.

 

Polen, Ungarn und die baltischen Staaten sollten sich dann nicht zu sehr auf die NATO verlassen, wenn Russland dann seinen Einfluss, mit Druck, auf sie ausweiten wird. Und sollte Ungarn, als Alternative zu Russland, einen näheren Anschluss an den Erfinder der neuen Seidenstraße suchen, würde es bald feststellen, dass China auch nur an seine eigenen Interessen denkt. In einer funktionierenden EU kann kein Land, auch Ungarn nicht, ein souveräner Nationalstaat sein; aber jedes Land kann als Mitglied die Gemeinschaft mitgestalten.

 

Sollte Orbán wirklich glauben, dass das auch mit China geht, sollte er sich umsehen, was mit Ländern in direkter Umgebung von China passiert, wenn China seine Interessen ausweiten will. Die Ausweitung des chinesischen Interessengebietes im chinesischen Meer bis fast zu den Küsten anderer Staaten hin, zeigt es doch. Und es interessiert China nicht, wie viele Protestnoten diese Staaten an China senden.

 

Schon vor ein paar Jahren hat sich ein hoher chinesischer politischer Funktionär, lächelnd, zu der Frage der chinesischen Interessenausdehnung im chinesischen Meer, in einem Interview, geäußert. Es war nur ein Satz. „Wir sind groß, die sind klein.“ Ist Ungarn groß? Nun Größe kommt auch auf das Verhältnis an, zu dem man die Größe bemisst. Hier würde es um den Vergleich zu China gehen. Was glaubt Orbán dabei denn?

 

Was außerdem die nationalen Parteien und Gruppen in der EU, die jetzt ständig ins gleiche Horn stoßen und sich gegenseitig bejubeln, immer übersehen, ist, dass ihre eigene gemeinsame Freundschaft (die der national ausgerichteten Parteien) nur einen einzigen gemeinsamen Nenner hat, nämlich wieder „souverän“ sein zu wollen. Haben Sie das erreicht, werden sie sich als Konkurrenten betrachten. Es wird ein Europa, wie es bis 1914 gewesen ist. Ein gegenseitiges Hauen und Stechen, um politische und wirtschaftliche Vorteile für das eigene Land, auf Kosten der anderen, zu erlangen.

 

Wohin das führt, haben wir im Jahre 1914 gesehen – und oft in den Jahrhunderten davor.

 

Eines könnte sich aber, im Gegensatz zu der Vergangenheit, dann in der Zukunft ändern. Da die kleinen Nationalstaaten, sich auf einmal bewusst werdend, wie klein sie doch sind, sich jeweils einen großen Partner suchen werden, bei dessen Politik sie aber, wenn sie erst einmal angebunden sind, nicht mitgestalten dürfen, könnten die europäischen Staaten untereinander in Kriege verwickelt werden, die für die Großen der Welt (USA, China, Russland) nur Stellvertreterkriege sind.

 

Europa könnte das Afrika, Mittelamerika oder Korea des Kalten Krieges-2.0 werden.

 

Ich bin der festen Überzeugung, dass Europa seinen Wohlstand gegen die Großen der Welt nur verteidigen kann, wenn sie selbst groß, mit einer einzigen Stimme, in der Welt spricht. Davon sind wir, seit dem letzten EU-Gipfel der Regierungschefs, einen Schritt weiter entfernt als vorher. So gebe ich der EU noch zehn Jahre, dann ist sie Geschichte.

 

Und die, die sich auf die Zeit danach freuen, werden auf einmal sehen, dass man nur in einem nationalen Staat von Gnaden der wirklich Mächtigen dieser Welt lebt, und die Regierung dann das für sein Volk bestimmen wird, was die Regierungen in den USA, oder Russland oder China (für ihr eigenes Land) für richtig hält.

 

Last but not least, ist auch der allgemeine EU-Haushaltsplan, der auch beschlossen wurde, eine einzige Katastrophe. Hervorzuheben sind alleine schon mal die Haushaltskürzungen, die auch noch schwerpunktmäßig in Bereichen stattfinden sollen, in denen es in der EU sowieso hakt. Bildung, Digitalisierung, Forschung, Klimaschutz.

 

Und es ist nicht anzunehmen, dass die einzelnen Staaten, die Coronahilfsgelder bekommen, dieses vermehrt in diesen Bereichen einsetzen.

 

 

Hoffen wir, dass das EU-Parlament da noch einen Strich durch die ganze Rechnung zieht. Wobei leider zu befürchten ist, dass, außer kleinen Korrekturen, wenig passieren wird. 

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