Das hatte schon was. Da plant das EU-Parlament nach wochenlangen Diskussionen eine Parlaments-Debatte und eine Abstimmung über das TTIP, und dann lässt der Parlamentspräsident beides einfach
platzen. Und warum? Da das Parlament es nicht geschafft hat, sich zu einer gemeinsamen Meinung durchzuringen, befürchtete Martin Schulz wohl, als TTIP Befürworter, eine Niederlage. Und die galt
es zu verhindern. Einen zweiten Anlauf wird es wohl erst geben, wenn man die Genossen, die gegen das TTIP, und ganz besonders gegen die privaten Schiedsgerichte sind,auf Linie gebracht
wurden.
Und sollte der Verdacht sich bewahrheiten, dass Martin Schulz dieses hauptsächlich aus Rücksicht auf die „Große Koalition“ in Deutschland durchgezogen hat, würde das den Skandal nur vergrößern.
Herr Schulz ist nicht von der „GroKo“ ins EU-Parlament gewählt worden, sondern vom „deutschen Volk“. Und er hat dort letztendlich nicht Bonner Politik zu vertreten (die Nationalregierungen lassen sich eher von der EU-Kommission vertreten, da diese von ihnen eingesetzt wird), sondern als Abgeordneter hat er die Interessen seiner Wähler im EU-Parlament zu vertreten. Und als Präsident des EU-Parlamentes hat er dafür zu sorgen, dass dieses, demokratisch gewählte Organ, auch demokratisch arbeiten kann. Auch wenn die Gefahr besteht, dass die Abstimmung nicht nach den Wünschen von ihm oder der deutschen „GroKo“ ausfällt.
Demokratie heißt nicht, „bekommen wir die Mehrheit, können wir abstimmen, bekommen wir sie nicht, lassen wir die Abstimmung ausfallen“.
Somit hat das Parlament eine Chance vertan, der EU-Kommission darzulegen, wie sie die strittigen Punkte sieht. Zwar muss die Kommission sich an den Parlamentsbeschluss nicht halten, aber es wäre eine Empfehlung, ein Signal, wie das EU-Parlament zu strittigen Fragen steht, denen sie, wenn das TTIP-Paket fertig geschnürt ist, nur komplett zustimmen kann – oder ablehnen.
Diese vertane Chance spielt den Befürwortern in die Hände, denn so kann die EU-Kommission weiter fleißig verhandeln, wie sie es gerne möchte. Und es wird am Schluss, wenn das Vertragswerk steht, ein viel größerer Druck auf das Parlament stehen, das Machwerk, trotz starke Bedenken in wesentlichen Punkten, anzunehmen, da das Parlament nicht, als es die Chance hatte, die strittigen Punkte anzusprechen und darüber abzustimmen, dieses getan hat. Hätte das Parlament sich hier gegen die Schiedsgerichte und gegen überstaatliche Ausschüsse ausgesprochen, und hätte die EU-Kommission sich dann nicht daran gehalten, hätte es anders ausgesehen.
Nicht die EU-Kommission ist die demokratisch legitime Macht in der EU, sondern das Parlament, und hätte das Parlament sich wirklich am 10.06.2015 gegen Schiedsgerichte und gegen überstaatliche Ausschüsse entschieden, hätte sie, wenn die EU-Kommission diese Entscheidung nicht berücksichtigt hätte, viel leichter das ganze Paket, egal wie viel Druck man aufbauen würde, ablehnen können. Ganz einfach mit der Begründung: „Wir haben euch gewarnt. Wir haben, per Abstimmung, rechtzeitig darauf hingewiesen, dass das mit uns nicht geht.
Martin Schulz hat mit seinem politischem Winkelzug seine Machtbefugnisse, die er als EU-Parlaments-Präsident hat, eindeutig missbraucht.
Dass bei dem Tohuwabohu, dass nach der Bekanntgabe, dass die Abstimmung, und sogar die Debatte über das TTIP, ausfallen sollte, der Europa-Abgeordnete der CSU, und Chef der größten Fraktion im Europäischen Parlament, Herr Manfred Weber, dann noch die Frechheit gehabt haben soll (ich zitiere aus der TAZ vom 11.06.2015), Folgendes von sich zu geben: „Mir macht Angst, wenn ich sehe, wie die Links- und Rechtsradikalen hier im Haus sich gegenseitig in Rasche reden und die Grünen an der Seite dieser Leute stehen“, ist besonders verwerflich.
Alleine das GG verbietet private Schiedsgerichte, für Fälle, die in Deutschland ihren Tatort haben. Artikel 92 sagt zweifelsfrei aus, welche Gerichte und welche Richter dafür zuständig sind. Wie kann man da die Kritiker, egal von welcher Partei, als Radikale bezeichnen, bzw. die Grünen beschimpfen, wenn sie auch empört über diesen politischen Winkelzug sind.
Auch die sehr umstrittenen überstaatlichen Ausschüsse, die kontrollieren sollen, ob neu beschlossene Gesetze TTIP konform sind, dürften gegen das Grundgesetz verstoßen. Es gibt in Deutschland ein Gericht – und zwar nur ein Gericht – dass zu entscheiden hat, ob ein Gesetz gesetzeskonform, und damit ist GG konform gemeint, ist oder nicht. Und das ist das Bundesverfassungsgericht. Überstaatliche Ausschüsse, egal ob von Politkern, Beamten, oder auch von „privaten Schiedsleuten“ besetzt, die zu bestimmen haben, ob ein neues Gesetz TTIP konform ist und damit in Kraft treten darf oder nicht, verstoßen eindeutig gegen das Grundgesetz.
Da dann die Kritiker so zu beschimpfen, zeigt eigentlich nur, welchen Stellenwert das Grundgesetz für den Herrn von der CSU hat. Auch als EU-Abgeordneter ist er doch vom deutschen Volk gewählt und hat sich an das Grundgesetz zu halten und darf keinem Gesetz zustimmen, das gegen das Grundgesetz verstößt – und er darf erst recht nicht die verunglimpfen, die gerade deshalb gegen das TTIP, oder zumindest gegen Teile des TTIP sind.
Letztendlich war es auch ein schwarzer Tag für eine demokratische EU.
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