Das BGE und die verfluchte Leistungsgesellschaft

Viele Menschen heute sehen den Sinn in der heutigen Leistungsgesellschaft nicht mehr und wünschen sich daher ein BGE herbei.

 

Ich will nicht abstreiten, dass auch ich bei vielen Dingen den Kopf schüttle, wenn ich so sehe, was die Leistungsgesellschaft hervorbringt. Vieles was geschaffen wird kann man wirklich infrage stellen. Brauchen wir das wirklich oder zerstören wir nur damit völlig unnötig unsere Umwelt und verbrauchen unnötig Ressourcen der Erde.

 

Ich sehe die Entwicklung da sehr kritisch, wundere mich aber immer, wenn Leute diese Leistungsgesellschaft verteufeln, während sie dann ihre Botschaft über ihr neustes Smartphone in die Welt posaunen.

 

Wer also die heutige Leistungsgesellschaft verteufelt, sollte sich erst einmal über mehrere Dinge klar werden.

 

1. Alles, was wir an Leistung haben möchten, egal ob es ein neues Smartphone ist, ein neues Auto, eine warme Wohnung, das Bier in der Kneipe oder ein Plasmabildschirm, muss geschaffen werden. Und auch eine saubere Toilette an der Autobahnraststätte oder in dem Bahnhof, muss irgendjemand reinigen, damit wir uns auf eine saubere Toilette setzen können, wenn unterwegs unerwartet der Darm drückt. Alles, wirklich alles muss geschaffen werden. Jeder Leistung, die jemand haben möchte, muss auch durch Leistung geschaffen werden. Will jemand die Leistungsgesellschaft abschaffen, muss er auch das Bedürfnis zu essen, zu trinken, Auto fahren zu wollen, ein Smartphone besitzen zu wollen, und auch im Zweifel, in der Öffentlichkeit eine Toilette aufsuchen zu wollen, abschaffen. Wer grundsätzlich das Motto schaffen will, niemand muss selbst etwas leisten, um eine Leistung zu erhalten, muss sich darüber klar werden, dass er dann davon lebt, dass andere für die Leistung, die er erhalten möchte, zusätzlich freiwillig Leistung schaffen werden.

 

2. Gerne wird auch das Argument gebracht, dass ja alle doch irgendwie sinnvoll arbeiten möchten, somit auch alle Arbeiten in Zukunft abgeleistet werden. Das ist naiv. Selbst wenn ich eine saubere Bahnhofstoilette für sinnvoll halte und ich somit auch die Reinigung dieser Toilettte für die Gesellschaft notwendig und daher für sinnvoll halte, würde ich doch anzweifeln, dass ich diese Tätigkeit für mich als sinnvoll betrachten würde. Und so würden viele denken.

 

3. Und selbst, wenn nicht nur alle gerne Sinnvolles tun möchten, sondern genügend Leute das Toilettenreinigen auf Bahnhof für sich als sinnvolle Arbeit ansehen würden (sich das vorzustellen, wäre allerdings naiv), wäre auch das kein Argument. Nicht arbeiten zu müssen kann nur ein Recht auf Gegenseitigkeit sein. Nehme ich mir das Recht heraus nicht arbeiten zu müssen, muss ich dieses Recht erst einmal, grundsätzlich allen zugestehen. Egal ob diese nun das Recht in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Ich habe kein Recht zu verlangen, dass doch jemand, und das auch noch in meiner Nähe, wirklich solch große Lust verspürt, Bäcker zu sein, damit ich garantiert morgens, zum Frühstück, bereits frische Brötchen haben kann. Ich kann nicht für mich das Recht fordern, nicht arbeiten zu müssen, wenn ich gleichzeitig verlange, dass doch irgendwelche Leute, und davon auch noch ausreichend, aus welchen, für mich unerklärlichen Gründen auch immer, beim Toilettenreinigen fast einen Orgasmus bekommen, und sich daher, wie Wilde, jeweils mit einer Bürste bewaffnet, über die öffentlichen Klos hermachen. Möchte ich das (Bürger-)Recht für mich in Anspruch nehmen, nicht arbeiten zu müssen, muss ich dieses Recht wirklich allen, ohne jegliche Ausnahme, auch zugestehen. Was diese Leute dann mit ihrem Recht machen, ist ihre Sache und hat mich erst einmal nicht zu interessieren.

 

4. Wer ein BGE herbei beten möchte, weil die Gewinne der Leistungen, nach seiner Meinung zu schief verteilt werden, versucht an den Symptomen einer Schieflage herumzudoktern, nach dem Motto, wenn ich verhindern will, dass Nichtschwimmer in der Schwimmhalle ertrinken, lasse ich einfach das Wasser ab, anstatt sich um die Ursachen zu kümmern. Wenn ich Hungerlöhne abschaffen will, wäre ein Mindestlohn vielleicht angebracht, aber nicht die Abschaffung des Grundsatzes, dass Leistung geschaffen werden muss, auch das Klo schrubben, auch wenn das nun wirklich keine angenehme Arbeit ist. Ist niemand, um Geld zu verdienen, gezwungen Toiletten zu schrubben, werden wir in Zukunft auf der Straße unsere Geschäfte machen, verschämt hinter einer Autobahnraststätte im Wald, und wie das in einem vollen Zug gehen soll, muss ich mir noch überlegen. Dazu fällt mir momentan nichts ein. Und das Argument, dann müssen Reinigungskräfte eben so viel verdienen, dass sie trotz eines BGEs noch die Toiletten reinigen wollen, ist ein schwaches Argument. Die BGE-Befürworter sagen ja selbst, das BGE soll dazu da sein, damit man gerade solche Jobs nicht annehmen muss. Sie sagen nicht, eine Toilettenfrau sollte, neben dem BGE, so viel verdienen, dass sie, wenn sie Lust dazu hat, mit dem Porsche zur Arbeit fahren kann. Ganz nebenbei ist es ein Widerspruch, wenn BGE-Befürworter lauthals die Erwerbsarbeit verdammen, was sie nun einmal laut und deutlich tun, und dann aber nach einem höheren Erwerbslohn schreien, damit unkreative Arbeit doch noch ausgeführt wird.

 

5. Gerne wird von den BGE-Befürwortern, auch Götz W. Werner und Adrienne Goehler tun das, der Sozialist Paul Lafargue genannt, der immerhin ein Buch mit dem Titel geschrieben hat: „Das Recht auf Faulheit“. Wer das Buch als Argument zitiert, sollte es genau lesen. Paul Lafargue spricht sich nicht gegen die Arbeit aus. Auch nicht gegen das Selbstverständnis, dass man für die Leistung, die man selbst erhält, auch Leistung bringen soll. Der Titel des Buches ist provokativ, sollte aber, als Lafargue das Buch herausbrachte, auch nur eine Provokation gegen die Revolutionäre von 1848 darstellen, die „Ein Recht auf Arbeit“ einforderten.

 

6. Wer die Vermögensschieflage in diesem Land verurteilt, sollte sich darüber Gedanken machen, wie über Mindestlöhne und eine andere Versteuerung, zum Beispiel bei jährlichen Einnahmen von über 1 Million Euro, dieses etwas ausgeglichen wird. Aber das Leistungsprinzip abschaffen, ist da kontraproduktiv.

 

Ach – und ganz nebenbei. Wir haben genug Arbeit, uns geht die Arbeit nicht aus, egal wie oft man das behauptet. Aber das ist ein anderes Thema.

 

 

 

                                     Zur Buchbeschreibung: Der Irrglaube BGE

 

 

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