Google+ und das Thema Kindesmissbrauch

Ein Beitrag von mir, bei Google+

 

Ich muss schon sagen, dass ich es erschreckend finde, wie teilweise bei Google+ mit dem Thema Kindesmissbrauch umgegangen wird.

 

Ist es passiert, ist man hier teilweise bereit, wenn man ein Phantomfoto hat, eine regelrechte öffentliche Hetzjagd zu befürworten. Hier scheint schlichtweg die Intelligenz zu fehlen, dass viele so etwas nutzen würden, um eine wirkliche „Hetzjagd“ zu betreiben, bei denen dann auch Unschuldige zum Opfer werden können. Wer sich alleine letztens an den Lynchaufruf im Internet erinnert, dem sollte klar sein, wie schnell so etwa passiert.

 

Ich habe keine Lust, nur weil ich zufällig so aussehe, wie ein Phantomfoto, von einer besoffenen Horde an einen Laternenpfahl oder am nächsten Baum aufgehängt zu werden.

 

Anderseits wird hier, wenn man zur „Vorbeugung“ aufruft, man es also erst gar nicht erst zum Kindesmissbrauch kommen lassen will, hauptsächlich mit Ignorieren geantwortet. Und wenn dann doch mal ein oder zwei den Aufruf befürworten und sogar für die Todesstrafe plädieren, was ich für falsch halte, kommt sogar mal eine heftige Kritik in der Form ans Tageslicht, man sollte doch solche Stammtischparolen nicht von sich geben.

 

Auch diese Reaktion ist interessant. Über dem Aufruf zur „Vorbeugung“ wird sich nicht geäußert auch nicht positiv, nur die Forderung für die Todesstrafe – immerhin nach einem ordentlichen Prozess – wird verurteilt.

 

Wie erwähnt, ich bin gegen die Todesstrafe, aber wenn jemand, vielleicht sogar noch persönlich vom Thema „Kindesmissbrauch“ betroffen, für die Todesstrafe ist, ist das doch zumindest emotional nachvollziehbar.

 

Nachvollziehbar finde ich es nicht, wenn man sich über das Thema selbst nicht äußern will, aber die Forderungen für die Todesstrafe als Stammtischparolen abkanzelt.

 

Nachvollziehbar finde ich auch nicht, dass bei Google+, wie schon mehrmals geschehen, wenn es zu spät ist, ob nun Kindesmisshandlung oder Vergewaltigung spielt da als Differenzierung nun wirklich keine Rolle, zur öffentlichen Hetzjagd aufgerufen wird, aber kaum jemand „Werbung“ macht oder dieses unterstützt, dass so etwas gar nicht erst passiert. Zumindest ich finde sehr selten etwas zu diesem Thema. Es scheint bei Google+ nicht gerade beliebt zu sein.

 

Nach inoffiziellen Schätzungen sollen jedes Jahr ca.300.000 Kinder in Deutschland missbraucht werden. Das sind ungefähr so viele, wie Mannheim oder Karlsruhe an Einwohnern hat. Oder als ob alle 10 Jahren, jeder einzelne Einwohner Berlins, im Alter von 0 bis 120 Jahren, missbraucht wird.

 

Hat sich hier eigentlich einer mal diese Zahlen auf der Zunge zergehen lassen, ordentlich gedanklich durchgekaut und verarbeitet?

 

Wird es nicht langsam mal Zeit, nicht enthusiastisch, wenn es zu spät ist, nach Todesstrafen und öffentlicher Hetzjagd zu schreien, sondern dafür zu sorgen, dass so etwas gar nicht erst passiert?

 

Und ist eigentlich irgendjemanden klar, dass nicht nur die ca. 300.000 direkten Opfer zu Opfern werden? Jedes Opfer so einer Tat, verändert sich. Das Gehirn entwickelt sich anders. Der Bereich im Gehirn der Angst,des Vertrauens, bzw. des Misstrauens speichert, entwickelt sich ganz anders, als bei einem nicht betroffenen Menschen.

 

Ohne es zu wollen, aber sich und ihr Gehirn nicht kontrollieren zu können, können solche Menschen selbst zu Tätern werden. Sie sehnen sich genauso wie andere Menschen nach Liebe und Geborgenheit und wollen eine Beziehung und wollen, ja sie wollen Geborgenheit. Aber dann reagiert das verletzte Gehirn. Geborgenheit ist ja was schönes, aber – kann ich „ihm“ denn überhaupt vertrauen, kommt da die Frage. Die Antwort: „Nein bloß nicht. Jemanden vertrauen tut weh, schafft Schmerzen.“

 

So jemand kann alle Zärtlichkeit geben, die es gibt und sich daran plötzlich erinnern, dass sie mit der Zärtlichkeit auch ihre Verletzbarkeit gezeigt hat. Und plötzlich sieht sie in der Person, der sie sich zärtlich gegenüber gezeigt hat, vom dem sie wirklich Geborgenheit gewünscht hat, nur noch eine Gefahr für ihre Person, da er ja ihren Wunsch nach Zärtlichkeit und Geborgenheit jetzt kennt, sie ihm gegenüber daher verletzbar ist, er ja ihren Wunsch ausnutzen könnte.

 

Sie sieht in dem Partner, ohne dass dieser überhaupt kapiert was da überhaupt los ist und warum sie so verändert ist, nur noch eine tödliche Bedrohung für sie selbst. Sie verletzt, beleidigt, demütigt, tut wirklich alles um ihn loszuwerden, ohne dabei aber über dieses „Loswerden“ reden zu wollen, ihm nicht zu erklären, dass sie ihn los werden will und auch nicht warum und weshalb.

 

So eine Person wird, auch wenn Sie es selbst nicht will, selbst zu einer Täterin, bzw. Täter und schafft neuer Opfer.

 

Jede Person, die als Kind missbraucht wurde, und nicht in der Lage war ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten, kann also wieder Opfer schaffen. Jeweils nicht nur eins, sondern mehrere.

 

Wie viele hunderttausende von Opfern dieser Opfer gibt es? Bei so vielen direkten Opfern von Kindesmissbrauch und so vielen, die dieses Trauma nicht verarbeiten konnten, kann ich nicht das einzige Opfer von Opfern sein.

 

Wenn ca. 300.000 Kinder alleine in Deutschland jedes Jahr missbraucht werden, muss es Millionen Menschen in Deutschland geben, die missbraucht wurden. Und es müssen Millionen von Menschen geben, die wiederum Opfern von solchen Opfern wurden.

 

Trotzdem scheint das Interesse einen Täter, auch unter dem Risiko von großen Kollateralschäden, zu jagen, größer zu sein, als sich dafür einzusetzen, dass solche Taten gar nicht erst passieren.

 

Mehr als einmal hatte ich hier bereits den Eindruck, mich regelrecht bei dem Versuch der Vorbeugung, unbeliebt zu machen.

 

Nun denn, schon Bertolt Brecht hatte die Erkenntnis dass:

 

Wenn die Wahrheit zu schwach ist, sich zu verteidigen, muss sie zum Angriff übergehen.“

 

Auf denn, es ist wieder einmal ein guter Tag sich unbeliebt zu machen.

 

Ach so – noch eine Frage.

 

Hat sich jemand eigentlich mal Gedanken darüber gemacht, warum das hier „-sozial-network“ und nicht „Internet-Quasselbude“ heißt? In dem Namen steckt immerhin das Wort „sozial“. Ich verstehe die gegebene Namensgebung ehrlich gesagt sehr oft nicht.

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