Manchmal ist das Leben einfach nur scheiße

Vorgestern Morgen habe ich in einem Forum noch, so wie ich es jeden Morgen mache, eine Foto aus Schweden hochgeladen. Ein schönes Foto mit einem Zelt vor einem See und im Hintergrund Berge. Einer der Forumsteilnehmer fand das Bild toll, und schrieb noch, er würde auch gerne dort mit seinem 20 Personenzelt sein und dort Urlaub machen.

 

Ich fragte nach, wieso so ein großes Zelt. Immerhin gibt es dort keine Straßen, man müsste alles dort hin tragen und ein 20 Personenzelt wäre doch sehr groß, unhandlich und schwer. Er meinte, die eine Hälfte für sich und seine Freundin, die andere für Leute, die vorbeikommen würden. Er und seine Freundin wühlen sehr im Schlaf, was wohl auch Fremde stören würde, daher wird viel Platz benötigt. Na ja, wir einigten uns doch auf eine kleineres Zelt, da es sehr unwahrscheinlich sei, dass fremde Leute so einfach vorbeikommen, und wenn, dann würden sie wohl selbst ein Zelt mit haben.

 

Gestern Abend schickte er völlig verzweifelt eine Posting ins Forum. Seine Beziehung ist kaputt gegangen. Er weiß nicht warum, ist total verzweifelt, er versteht es einfach nicht, warum das jetzt passiert ist. Seitdem habe ich ihn nicht mehr im Forum erlebt. Er muss noch kurz sein Profil von „in einer Beziehung“ auf „Single“ umgestellt haben, und irgendwann im laufe des heutigen Tages, sein Hilfeschrei wieder gelöscht. Ansonsten ist Stille.

 

Ich kenne die Einstellung von vielen, die da lautet, das wird schon wieder, das Leben geht weiter, usw. Anderseits habe ich bei einer Menge von diesen Leuten festgestellt, dass ihre kühle Sachlichkeit, die sie bei einer eigenen Trennung durchaus auch vorzeigen, nur gespielt ist. Die Kühle, die den wahren Zustand überdecken soll.

 

Ich kenne es z.B. von meiner Schwester. Auch so ein kühles Wesen, gerne schroff und leicht überheblich anderen gegenüber. Und wenn jemand down am Boden liegt, eine Person, die zwar Verständnis zeigt und zuhört, aber auch gleich darauf hinweist, dass sie das nicht so mitnehmen würde, wenn ihr so etwas passieren würde. Dazu ist sie viel zu positiv eingestellt. Wobei ich eben weiß, dass sie das nicht ist. In einem schwachen Moment, den sie wahrscheinlich schon längst vergessen hat, und wenn man sie daran erinnern würde, ihn schlichtweg leugnen würde, hat sie sich nämlich einmal verraten.

 

Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe in den letzten Jahren eine gewisse Verachtung gegenüber Leuten entwickelt, die anderen gegenüber den „Harten“ oder die „Harte“ vorspielen, und die einem zwar zuhören, wenn man selbst am Verzweifeln ist, man aber irgendwie das Gefühl hat, dass sie einen für dessen Gefühlsduselei für schwach halten.

 

Vielleicht habe ich diese Verachtung auch wegen Carola bekommen, die, zumindest von den Leuten, die ich kenne, die größte Schauspielerin in Sachen „Stärke zeigen“ ist. Auch wenn ihr Verhalten immerhin einen Grund hat, den man nicht ignorieren sollte, da nach solch traumatischen Erlebnissen, wie sie sie wohl in ihrer Kindheit erfahre hat, so ein Verhalten selbst nicht mehr zu steuern ist.

 

Aber ich habe damit meine Probleme. Dieser Hilfeschrei voller Verzweiflung aus dem Internet der schon wieder gelöscht wurde, berührt mich zutiefst, und ich weiß, dass die, die mich hier kennen, mich dafür auslachen würden, wenn ich ihnen davon erzählen würde. Immerhin kenne ich den Typen, außer ein paar Internet-Postings, die wir gewechselt haben, nicht. Aber mich berührt es nun einmal zutiefst, und ich will nicht den Harten spielen, wenn ich nicht hart bin.

 

Mich hat dieser Hilfeschrei, aus tiefstem Seelenschmerz, auch berührt, weil ich es toll fand, dass jemand den Mut hatte, seine Verzeiflung laut hinauszuschreien. Mehr als einmal hatte ich den tiefen Wunsch, mich in Lübeck auf den Marktplatz zu stellen und genau dieses, wegen meinen Erlebnissen mit Carola, auch zu tun. Gerade weil ich um mich herum nur noch Leute kenne, die eine mehr oder wenig dicke Maske tragen, hinter der sie sich verstecken, berührt mich dieser Hilfeschrei.

 

Und hier erkennt man den großen Nachteil des Internets. Man kann nicht einfach anrufen und sagen: „Na los komm, lass uns irgendwo hingehen, irgendwo ein Bier trinken gehen, oder sich im Park auf den Rasen setzen und quatschen.“

 

Mal sehen, ich hoffe er reagiert wenigstens auf meine E-Mail.

 

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