Die Stunde der Populisten und angeblichen Patrioten

 

Man kann ja darüber reden – oder auch gerne streiten – ob unsere Regierung alles richtig gemacht hat. Auch ich hätte einige Vorschläge gehabt, etwas anders zu machen. Ob das dann besser gewesen wäre, darüber hätte man dann auch diskutieren können. Aber was die Möchtegernpatrioten so im Netz ablassen, wie sie kein sauberes Haar an unseren Politikern lassen, dagegen aber Politiker feiern, die sich staatsmännisch vor der Kamera äußern, ernst und besorgt, wobei sie nicht besser gehandelt haben als unsere, und auch Hinweise ignoriert haben und zu spät reagiert, spielt da keine Rolle.

 

Politiker, die eher die eigene politische Vorstellung, eine eher populistische Vorstellung teilen, müssen gelobt werden.

 

Ein gutes Beispiel ist da Boris Reitschuster, seines Zeichens Journalist, der bei Twitter sowieso gegen alles hetzt, was links der AfD ist, wobei er meistens die FDP und die sogenannte Werteunion da noch auslässt. Meistens, aber auch nicht immer.

 

Oder Peter Weber, der auf „Hallo Meinung“ eigentlich nur gegen die Regierung hetzt, auch egal, worum es sich dabei dreht, und der in seinem Corona-Video Halbwahrheiten bringt, die hanebüchen sind. Und in so einer Form, die Grenzschließung zu verlangen, wie er es tut, als ob es doch das Selbstverständlichste auf der Welt wäre, ist auch eine Vereinfachung der Tatsachen, mit dem Ignorieren der dann auftretenden Probleme. Das gilt auch für die Schulschließung.

 

Wohlgemerkt, ich will nicht sagen, dass die Forderung, die Schulen zu schließen, total falsch wäre, aber man sollte sich, bei dieser Forderung, ruhig die Frage stellen, wo bleiben die Kinder, wenn beide Elternteile arbeiten und nicht einfach der Arbeit fernbleiben können? Zu Hause ans Bett gekettet, für die nächsten Wochen, vielleicht sogar ein paar Monate?

 

Und wenn die Politiker alles so blind sind, warum kommen dann von ihm keine wirklichen Alternativvorschläge, die auch auf die entsprechenden Probleme eingehen, die mit diesen Vorschlägen auftreten würden.

 

Ich weiß nicht, ob es besser gewesen wäre, aber ich hätte schon vor Wochen den Vorschlag gemacht, in jeder Schule den Stundenanfang zu zerteilen. 1/3 der Klassen fangen z. B. um 7 Uhr 30 an, 1/3 um 7:55 oder 8:00 und das letzte Drittel entsprechend noch später. Man muss sich das exakt ansehen, um den richtigen Abstand zu finden, aber man würde das sicher hinbekommen, dass nicht nur am Morgen eben nicht alle Schüler gleichzeitig vor den Schulgebäuden und Schulfluren stehen und gehen, sondern auch die Pausen nicht überlappen, sodass immer nur 1/3 der Schüler sich gleichzeitig auf dem Schulhof aufhalten – und, wenn nur 1/3 sich dort aufhalten, kann man auf dem Hof die Schülerhaufen auch klassenmäßig in einen Bereich halten, da ja mehr Platz pro Schüler vorhanden sein würde.

 

Ich weiß nicht, ob das machbar wäre, halte es aber zumindest für eine Idee, auf die die populistischen Klugscheißer aber nicht kommen, gar nicht kommen wollen, weil es ihnen gar nicht darum geht.

 

Worauf Peter Weber aber in Wirklichkeit hinsteuern will, und das nicht erst seit dem Coronavirus, sagt er auch. Er hält unsere Politiker nicht nur für total unfähig, sondern er hält diese Politikform, die wir haben, dem Untergang geweiht. Zitat: „Die Politikform, wie wir sie im Augenblick haben, die kannst du nicht aushalten.“

 

Er sagt auch, wie er Deutschland geführt haben will. Wie eine AG. Was dann wohl heißen soll, der Vorstand (sprich, die Regierung) bestimmt, und das Fußvolk hat dann zu gehorchen. Aber wieso sind das die Gleichen, die bei Klima- und Ökomaßnahmen von Öko- oder Klimadiktatur reden?

 

Auf der einen Seite verlangt er von den Politikern, sie sollen uns schützen, bringt dann aber den Spruch, wir sollten des Glückes eigener Schmied sein. Was denn nun. Sind wir für uns verantwortlich? Sollen wir, wenn die Politik schon die Empfehlungen gibt, Großveranstaltungen zu meiden, freiwillig auf ein Fußballspiel im Stadion zu verzichten, dass dann selbstständig umsetzen können, oder hat der Regierungs-Vorstand uns das zu befehlen, damit wir reagieren?

 

Die Politiker haben Verhaltensempfehlungen ausgegeben. Wenn das nicht hilft, wie kann dann der Einzelne seines Glückes eigener Schmied sein, wenn er nicht einmal auf Empfehlungen hin sein Verhalten selbst verändern kann. Was viele anscheinend wirklich nicht können, da, selbst als im Fußball sogenannte Geisterspiele angesetzt wurden, Fans vor dem Stadion zusammen feierten.

 

Diese Idioten können aber nicht des Glückes eigener Schmied sein. Aber deshalb nach Führung zu schreien, wie Weber es tut, wenn die Menschen zu bekloppt sind? Wobei eben gerade die Menschen hier nach Führung schreien, die bereits auf die Barrikaden gehen, wenn der Staat führen will und zum Beispiel eine durchgängige Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Autobahnen diskutiert.

 

Oder will er nur Führung, wo er es will, und dort keine Führung, wo es ihm lästig ist? Darf der nur teilweise mündige Bürge selbst bestimmen, wann er mündig ist, und wann eben nicht?

 

Wenn wir aber mündige Bürger sind, warum halten wir uns (zumindest teilweise) nicht an die Empfehlungen.

 

Weniger Sozialkontakte.

 

Warum drängeln sich noch Menschen in Bars, Discos und anderen Vergnügungstempeln. Und würde man es ihnen verbieten, würden einige noch laut protestieren. Sind wir mündige Bürger, oder nicht.

 

Fahrt zur Arbeit.

 

Wie soll man da der Empfehlung der Regierung folgen, wenn man doch den ÖPNV benutzten muss.

 

Muss man das denn wirklich? Wenn die, die nur 5 km (oder auch 10 wären keine Katastrophe) fahren müssen, auf das Fahrrad (viele haben eins, auch wenn sie es selten nutzen) umsteigen würden, würden sie weniger Sozialkontakte haben – und die, die weiter mit dem ÖPNV fahren müssen, auch. Und die, die abseits des ÖPNV leben, fahren sowieso mit dem Auto. Alleine oder zu zweit – meistens.

 

Können wir nicht selbst nachdenken, wie wir zu weniger Sozialkontakten beitragen können. Benötigen wir da mehr als nur Ratschläge aus der Regierung, benötigen wird doch eine Führung, wie Peter Weber es sagt, gar einen Führer mit klaren Anweisungskompetenzen. Einen Vorstandsvorsitzenden als Führer?

 

Gerade die, die bei der allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn von Gängelung sprechen, die, die bei dem Thema Klimawandel und Umweltschutz, wenn man Vorschriften erlassen will, von Ökoterror oder Ökofaschismus reden, wollen auf einmal klare Anweisungen?

 

Man kann sich schlecht aussuchen, wann man ein mündiger Bürger sein möchte, der seines Glückes Schmied selbst sein will, und wann nicht. Entweder man ist ein mündiger Bürger, oder man ist es nicht.

 

 

Trump.

 

Auch einer, der zuerst die Gefährlichkeit von Corona geleugnet hat und die Panikmacher beschimpft. Der den Demokraten Hetzerei unterstellte, als von der Seite Warnungen kamen, und der dann Europa, genauer gesagt, der EU, überhaupt die Schuld für die Ausbreitung des Virus in den USA gab.

 

Und nun soll (man muss wohl „soll“ schreiben, denn so ganz ist es nicht eindeutig) versucht haben, die Arbeit eines deutschen Forschungsunternehmens aufzukaufen, um (angeblich) exklusiv für die USA ein Impfstoff gegen das Virus in die Hände zu bekommen.

 

Und auch Folgendes ist ein schlechter Witz. Was liest man bei Twitter von einem wohl angeblichen Patrioten. Die Firma hat auf das Angebot noch nicht reagiert, und der Typ verurteilt die Firma schon und schreibt von „typisch deutsches Unternehmen, hat kein Patriotismus“.

 

Und als man darauf hinweist, dass a). die Firma noch gar nicht auf das Angebot eingegangen ist, und man nicht für ein Angebot, nur weil man es bekommt, verurteilt werden kann, und b). ja wohl Trump derjenige ist, der dieses „unmoralische Angebot“, abgegeben hat, kam als Antwort, dass das von Trump in Ordnung sei. Immerhin sei er von den Amerikanern gewählt worden, um deren Interessen zu wahren. Dazu zählt auch, für die amerikanischen Bürger ein Impfstoff zu kaufen, wenn er die Möglichkeit hat. Und das auch gerne exklusiv für die Amerikaner.

 

Bei einer weltweiten Epidemie ist es ja wohl sinnvoller, dass entsprechende Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten und man sich weltweit austauscht, was wohl auch passiert. Und dann kommt Mr. Amerika-first an, und will (angeblich) im Ausland Forschungsergebnisse, exklusiv für sein Land, aufkaufen.

 

Gerade wird uns zu deutlich aufgezeigt, wie viele Menschen auf eine Krise, die sie direkt betrifft, regieren.

 

Und wie wissen seit vielen Monaten, wie Menschen auf Prognosen von Fachwissenschaftlern, die auf eine schleichende Krise hinweisen, deren Folgen sich aber nur langsam steigern und die heutige Generation wohl nur die Anfänge der Folgen miterleben wird, und erst die nächste und dann folgende Generationen unsere Versäumnisse extrem zu spüren bekommen wird.

 

 

Nein, die Menschheit ist nicht mündig. Aber daran würde eine starke Führung, wie sie einige gerne haben wollen, auch nichts ändern. Es würde wohl eher zu noch mehr Egoismus, dann in unkontrollierbare Kanäle sickernd, zum Glück von wenigen und zum Schaden von vielen, führen.

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