ALG II in Lübeck - Einleitung

Der erste Teil dieses Buches handelt von den Geschehnissen, die Herr Ernst zwischen dem 14. Juli 2010 und dem 10. Juli 2012 mit dem Jobcenter Lübeck, dem Bürgermeister der Hansestadt Lübeck und dem Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein erlebte. Also aus dem Zeitraum vor der Gerichtsverhandlung am Sozialgericht Lübeck, die dann am 03. März 2014 stattfand. Dieser Teil wurde von mir, unter dem Titel: „ALG II in Lübeck – Eine Odyssee der besonderen Art“, im Frühling 2013 als Buch herausgebracht.

 

Eigentlich war von mir geplant, nachdem die erwartete Gerichtsverhandlung irgendwann dann stattgefunden haben würde, noch einen entsprechenden Absatz an das bereits Geschriebene zu hängen und dann alles komplett, als zweite, erweiterte Ausgabe, neu herauszubringen. Die Verhandlung vor dem Sozialgericht Lübeck, am 03. März 2014, lief im Grundsatz wie erwartet, und so ich fing in den Tagen nach der Verhandlung an, den entsprechenden Absatz zu schreiben.

 

Als am 16. April 2014 das Jobcenter Lübeck, im Lübecker Wochenspiegel, kundgab, dass, wegen einer aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die angemessenen Kosten für die Wohnungen ab sofort nach der Bruttokaltmiete, also aus der Summe der Nettokaltmiete und den Nebenkosten, berechnet werden, war ich so verwundert, dass ich das Schreiben erst einmal wieder einstellte und mich etwas näher mit der Aussage aus dem Lübecker Wochenspiegel beschäftigte. Was dort mitgeteilt wurde, war genau das, was Herr Ernst seit dem 11. August 2010 vom Jobcenter Lübeck gefordert hatte, und das Jobcenter Lübeck ihm bis zur Verhandlung am Sozialgericht Lübeck, am 03. März 2014, verweigerte. Wobei in Lübeck nur ein einfaches Sozialgericht sitzt, also die unterste Gerichtsinstanz, und nicht das Bundessozialgericht.

 

Daher von dem Hinweis auf das Bundessozialgericht im Lübecker Wochenspiegel überrascht, forschte ich weiter nach und fand etwas Erstaunliches heraus. Die Kürzung der Wohnkostenerstattung bei Herrn Ernst, die zum 01. August 2011 wirksam geworden war, laut Klageerwiderung des Jobcenters Lübeck, vom 23. Juni 2011, zumindest eine Rechtsunsicherheit darstellte und von dem Geschäftsführer des Jobcenters Lübeck, Herrn Tag, noch am 07. Februar 2014 explizite als rechtens dargestellt wurde, war von Anfang an zweifelsfrei rechtswidrig.

 

Dass Herr Ernst, als Laie, das nicht gewusst hat, ist verständlich. Aber alle anderen, die hier in diesem Buch eine Rolle spielen, vom einfachen Sachbearbeiter im Jobcenter Lübeck, über der stellvertretenden Geschäftsführerin des Jobcenters Lübeck, Frau Borso, die im April 2011 eine Petition von Herrn Ernst einfach beiseite bügelte, über den Geschäftsführer des Jobcenters Lübeck, Herrn Tag, der sogar noch am 07. Februar 2014 eine Klageabweisung forderte, über den Bürgermeister der Hansestadt Lübeck, Herrn Saxe, der kein Fehlverhalten beim Jobcenter Lübeck feststellen konnte, bis zu dem damaligen Sozialminister des Landes Schleswig-Holstein, der sich weigerte die Entscheidung des Jobcenters Lübeck zu überprüfen, hätten das Urteil des Bundessozialgerichts kennen müssen, das zwar immer noch aktuell ist, aber trotzdem, da es bereits am 19. Oktober 2010 (die Jahreszahl ist kein Schreibfehler) zustande kam, keine aktuelle Entscheidung darstellte, und von allen anderen Jobcentern bereits lange angewendet wurde.

 

Von Anfang an hätte es diesen Fall, der sich letztendlich über drei Jahre hinzog, und Herrn Ernst, seit August 2011, jeden Monat 48,78 € Grundsicherung fehlen ließ, gar nicht geben dürfen. Man kann es nur als erbärmlich bezeichnen, was sich in diesem Staat, der sich doch als einen Rechtsstaat auf der Grundlage des Grundgesetzes bezeichnet, alles in verantwortlichen Positionen tummeln darf.

 

Ich bin mir ziemlich sicher, in einer seriösen Firma in der freien Wirtschaft, würde man solchen Leuten, und das ohne Ausnahme, wohl nicht einmal die Verantwortung über den Zustand der Betriebstoiletten anvertrauen.

 

Wegen dieser unerwarteten Entwicklung musste ich den Buchuntertitel „Eine Odyssee der besonderen Art“ streichen, da ich ihn nicht mehr für angemessen hielt, und außerdem ein einzelner weiterer Absatz für diesen Skandal nicht mehr ausreichte. Den neuen Untertitel des Buches sehen Sie auf dem Cover.

 

Der erste Teil des Buches wurde, vor der Gerichtsverhandlung, ohne das neue Wissen geschrieben, und ich habe diesen Teil auch nachträglich nicht mehr geändert. Die Überraschung, und damit der eigentliche Skandal dieses Falles, kommt daher erst im zweiten Teil des Buches. Also nach der Gerichtsverhandlung.

 

Dass ich den ersten Teil des Buches nachträglich nicht geändert habe, war keine Faulheit von mir, sondern der Tatsache geschuldet, dass Herr Ernst damals einfach das Verhalten des Jobcenters nicht verstand, er oft das Gefühl hatte mit einem kleinen Kind zu sprechen, das die Unlogik seines Verhalten noch nicht versteht. Mit einer Abänderung in die Richtung, dass das Verhalten des Jobcenters nicht nur nicht zu verstehen war, sondern das Verhalten des Jobcenters schlichtweg, zweifelsfrei, bereits seit Oktober 2010 nicht der gültigen Rechtsprechung entsprach, hätte ich die Situation, so wie sie damals einem erschien, nur verfälscht.

 

Dieses Buch hätte gar nicht geschrieben werden dürfen. Es hätte nicht geschrieben werden dürfen, da es diesen Fall, gemäß eines Urteils des Bundessozialgerichts, das bereits am 19. Oktober 2010 gefällt wurde, gar nicht hätte geben dürfen. Denn laut Artikel 20, Abs.3 des Grundgesetzes ist die vollziehende Gewalt, dazu zählen auch Jobcenter, die Verwaltung der Hansestadt Lübeck und das Landessozialministerium in Kiel, an Gesetz und Recht, somit auch an Urteile des Bundessozialgerichts, gebunden.

 

Aber kein einziges der hier genannten Organe der ausführenden Gewalt hat sich an Recht und Gesetz gehalten.

 

Aus der Webseite der Hansestadt Lübeck vom 30.11.2012, aktualisiert am 31.03.2014:

 

Nach der Rechtsprechung des BSGs (Bundessozialgerichts) bestimmt ein sog. Richtwert die Angemessenheit. Er ist das Produkt aus abstrakt zulässiger Quadratmeterzahl und abstrakt ermittelten Quadratmeterpreis (Produkttheorie). Leistungsberechtigte können wählen, ob sie zugunsten eines höheren Wohnungsstandards eine kleinere Wohnfläche in Kauf nehmen, soweit das Produkt (Gesamtmiete) angemessen ist (BSG, Urteil vom 07.11.2006 –Az: B 7 b AS 10/06 R).

 

Die Produkttheorie wurde mit Urteil des BSG vom 19.10.2010 – Az: B 14 AS 50/10 R dahin gehend erweitert, dass auch die kalten Betriebskosten in das Produkt mit einzubeziehen seien und den Quadratmeterpreis neu definiert.

 

Aber da niemand, wirklich niemand von den hier genannten Profis, auch wenn alle anderen Jobcenter in Deutschland da anscheinend schlauer waren, von diesem Bundessozialgerichtsurteil vom 19. Oktober 2010 gehört hatte, musste dieses Buch geschrieben werden.

 

Beginnen wir aber nun mit dem 14. Juli 2010.